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Grundrechte im Fußball – vor dem Gesetz sind alle Fans gleich

Von Vielen als bloße Radikale abgestempelt, vom Bundesverfassungsgericht gleich behandelt: Ultras.

 

Mit seinem Urteil vom 11.01.2016 – BverfG 2 BvR 1361/13 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass an die Durchsuchung bei einer nicht verdächtigen Person gem. § 103 StPO, die durch ihr Verhalten auch aus Sicht der Ermittlungsbehörden in keiner Weise Anlass zu den Ermittlungsmaßnahmen gegeben hat, besondere Anforderungen zu stellen sind.

 

Durchsucht wurde im zugrunde liegenden Fall die Wohnung des Kopfs einer Ultra-Gruppierung. Die bei dem Beschwerdeführer durchgeführte Durchsuchung diente der Auffindung eines Banners einer Fangruppierung eines Fußballvereins als Beweismittel, welches zuvor einer gegnerischen Mannschaft entwendet wurde. Die Staatsanwaltschaft wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass man wisse, wo sich das Banner befinden könnte und der Beschwerdeführer geriet so letztlich in das Visier der Ermittlungsbehörden. Dem Beschwerdeführer wurde eine Führungsposition innerhalb der gegnerischen Fangruppierung zugesprochen und daraus geschlossen, dass sich das Banner demnach bei diesem befinden müsse.

 

Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin die Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers in der Hoffnung, das Banner dort aufzufinden. Gegen den Beschluss legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein. Weder vor dem Amtsgericht noch vor dem Landgericht vermochte der Beschwerdeführer zu obsiegen. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung), des Rechtsstaatsprinzips sowie des Grundsatzes des fairen Verfahrens. Der Antrag auf Durchsuchung einer Wohnung habe laut Beschwerdeführer nur auf der Vermutung basiert, dass das Banner bei dem Beschwerdeführer aufzufinden sei; Tatsachen hingegen hätten nicht vorgelegen, aus denen hätte geschlossen werden können, dass der gesuchte Gegenstand bei dem Beschwerdeführer aufzufinden gewesen wäre.

 

Die 3. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts gab der Verfassungsbeschwerde statt. Es stellte abermals klar, dass mit der Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Art. 13 Abs. 1 GG die räumliche Lebenssphäre des Einzelnen einen besonderen grundrechtlichen Schutz erfährt, in den mit einer Durchsuchung schwerwiegend eingegriffen wird. Notwendiger und grundsätzlich auch hinreichender Anlass für Zwangsmaßnahmen im Strafverfahren muss der Verdacht einer Straftat sein. Der Verdacht wiederum muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen reichen nicht aus.

 

Dies gilt natürlich erst recht für nicht verdächtige Personen, wie vorliegend den Beschwerdeführer. An eine Durchsuchung gem. § 103 StPO bei einer nicht verdächtigen Person sind daher besondere Anforderungen zu stellen. Konkrete Gründe jedoch lagen in dem dem Urteil zugrunde liegenden Fall nicht vor. So fehle es an ausreichenden Anhaltspunkten für einen Auffindeverdacht dann, wenn eine Durchsuchung zur Auffindung des geraubten Banners einer Fangruppe eines Fußballvereins beim Anführer einer gegnerischen Ultra-Gruppierung angeordnet wird, obwohl nach szenebezogenen Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden allenfalls davon ausgegangen werden kann, dass sich das Banner irgendwo bei einem von 60 gewaltaffinen Personen befindet, wobei es ohnehin als unwahrscheinlich angesehen wird, dass sich dieses Banner dann bei der Führungskraft auffinden ließe.

 

Durchsuchungen dieser Art sind zwar grundsätzlich zunächst zu dulden; dies heißt jedoch nicht, dass hiergegen nicht wirksam vorgegangen werden kann. Bei einer – selbstverständlich unangekündigten – Hausdurchsuchung ist ein sofortiger Anruf bei seinem Verteidiger notwendig. Diese weiß mit den Beamten vor Ort umzugehen und alles Notwendige in die Wege zu leiten. Bei Hausdurchsuchungen gilt: 1. Bleiben Sie ruhig. 2. Rufen Sie unverzüglich Ihre(n) Verteidiger(in) an. 3. Wehren Sie sich weder verbal noch körperlich gegen die Maßnahmen.

 

Sollten Sie selbst von einer Durchsuchung betroffen sein, steht Ihnen unsere Kollegin, Frau Rechtsanwältin Carolin Hierstetter, beratend und unterstützend zur Seite.